Schüler mit Förderbedarf im Distanzunterricht

In dieser Reihe von Blogbeiträgen wird die Arbeit mit Schüler*innen mit Förderbedarf an einer Gemeinschaftsschule in Berlin-Neukölln dargestellt werden. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, sondern die Situation und Evolution dargestellt. Bisherige Beiträge werden nach Bedarf kommentiert aktualisiert (siehe Ende des Beitrages):

Unsere Schule

An unserer Schule lernen ungefähr 1100 Schüler*innen von der 1. bis zur 13. Klasse. Die 4 Jahrgänge in der Mittelstufe haben ungefähr je 100 Schüler*innen, aufgeteilt auf jeweils 4 Klassen. Der Fachbereich Inklusion arbeitet in der Mittelstufe mit 4 Kolleg*innen mit einem überwiegend systemischen Ansatz. Bereits in den letzten Jahren stand die Kooperation mit den Klassen- und Fachlehrer*innen im Zentrum unserer Arbeit. Eine enge Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit wird ebenfalls im Schulalltag praktiziert. Häufige Förderbedarfe sind Lernen, emotional-soziale Entwicklung und Sprache. Die Schülerschaft ist sehr divers.

Die aktuelle Lernsituation

Seit Anfang Januar ist die Präsenzpflicht an Schulen ausgesetzt. Der Unterricht findet auf Distanz statt: Die Schüler*innen zu Hause und die Lehrer*innen bereiten den Unterricht mithilfe von Lernplattformen vor. Im Fall unserer Schule wird Microsoft Teams benutzt. Andere Lernplattformen (z.B. Bettermarks, Anton, Orthografietrainer…) werden nach Bedarf eingebunden. Die Arbeit verteilt sich auf das eigenständige Lernen, Videokonferenzen mit den Lehrer*innen und gelegentliche Einzelgespräche mit den Schüler*innen.

Im Großen und Ganzen haben sich die Schüler*innen und Lehrer*innen an diese Arbeitsweise gewöhnt. Die technischen Probleme wurden bisher weitestgehende bewältigt. Der Austausch zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen läuft flüssig. Nach Bedarf werden die Schüler*innen direkt kontaktiert, um Probleme direkt zu klären.

Unterstützung für Schüler*innen

Bereits vor den Weihnachtsferien wurde an der Schule ein Konzept entworfen, das Schüler*innen mit Förderbedarf eine möglichste enge Begleitung im Rahmen bietet und ebenfalls pädagogische Angebote macht. Diese Angebote sollen direkt an den individuellen Bedürfnissen ansetzen und darauf hinwirken, Lernbarrieren zu vermindern. Neben dieser Gruppe wurden ebenfalls Schüler*innen identifiziert, bei denen Schwierigkeiten aufgrund von Schuldistanz, familiären Verhältnissen oder einem Mangel von Motivation vermutet wurden.

Aus den Erfahrungen des ersten Lockdowns von April bis Juni 2020 haben wir bereits erste Lehren gezogen. So war es möglich, eine umfangreiche und personenzentrierte Begleitung direkt nach den Weihnachtsferien anzubieten. Dieser Ansatz sieht vor, dass Schüler*innen mit Förderbedarf ein – oder mehrmals pro Woche in die Schule eingeladen werden. Das Team des Fachbereiches Inklusion arbeitet dann individuell mit den Schüler*innen. Die Arbeit ist unterschiedlich: teilweise wird ihnen an speziellen Aufgaben gearbeitet, in einigen Fällen steht die Beziehungsarbeit sowie die Bewältigung der Situation der Hausbeschulung aufgearbeitet und die Schüler*innen werden unterstützt, die Aufgaben innerhalb Microsoft Teams zu bearbeiten. Alle Interventionen erfordern enge Absprachen mit den Klassenlehrer*innen, der Schulsozialarbeit und der Schulleitung. Aufgrund der ausgesetzten Präsenzpflicht werden diese pädagogischen Angebote zuerst den Schüler*innen und ihren Eltern vorgestellt. In den meisten Fällen werden sie angenommen. Haben die Familien Vorbehalte aufgrund der Pandemie in die Schule zu kommen, werden die Schüler entweder telefonisch oder durch die Besprechungsfunktion von Microsoft Teams kontaktiert.

Es wurde aber von Anfang an Wert darauf gelegt, flexibel reagieren zu können, um auf die Schwierigkeiten der Schüler*innen eingehen zu können und im Kontakt mit anderen Kolleg*innen schnell reagieren zu können. Einen ersten Überblick über wiederkehrende Lernbarrieren im Distanzlernen hatten wir bereits Ende der ersten Schulwoche. Dieser ist weder vollständig noch umfassend, ermöglichte es aber, Strategien im Team zu besprechen. Hier eine kurze unvollständige Auflistung der wiederkehrenden Lernbarrieren:

  • Die Strukturierung des Lernalltages durch die komplette Veränderung der gewohnten Lernumgebung
  • Wegfall der üblichen Freizeitgestaltung
  • Ein Alltag der geprägt ist durch einen meist auf das eigene zu Hause begrenzten Wohnraumes mit all seinen Vot- und Nachteilen
  • Technische Probleme im Zugang zu der Lernplattform
  • Komplexität des User-Interfaces der Lernplattform
  • Schwierigkeiten in der Orientierung zwischen den Teams in der digitalen Lernplattform
  • Ungewohnte Oberfläche von digitalen Plattformen für die Erschließung von Aufgabenstellungen

In dieser Reihe wird bewusst von Lernbarrieren geschrieben. Dadurch wird ein starker Bezug zur UN-Behindertenrechtskonvention und dem Verständnis von Behinderung hergestellt. Menschen, mit ihren individuellen Stärken und Schwächen, können durch den Einfluss von Barrieren an der vollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehindert werden (in Anlehnung an Artikel 1 der UN-Behindertenrechtskonvention). Im schulischen Kontext kann diese Störung der Interaktion zwischen der Person, ihrer Umwelt und ihrer langfristigen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gerade in Zeiten von Covid 19 besonders deutlich hervor treten.

Ausblick

In den nächsten Beiträgen werde ich einzelne Aspekte genauer beleuchten, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit haben zu können.

  • Update 24.1.2021: kleinere Korrekturen im Text
  • Update 1 – 25.1.2021: kleinere Änderungen in der Einleitung
  • Update 2 – 25.1.2021: kursive Ergänzung im Abschnitt “Unterstützung der Schüler*innen
  • Update 3 – 27.1.2021: Lernbarrieren
  • Update 4 – 2.2.2021: Verweis zum zweiten Beitrag in der Reihe hinzugefügt