Kleingedruckt Sparen

Ein schönes Beispiel für die Kombination von einem Mangel an Zugänglichkeit ist der Zwischenbericht der Arbeitsgruppe Standards der Gemeindefinanzkommission des Bundes. Diese Kommission tagte am 8. Juli in Berlin und die 3. und letzte Sitzung soll im Oktober diesen Jahres stattfinden.

Die Kommission fasste Beschlüsse, auf deren Grundlage die Arbeitsgruppen ihre Arbeit fortsetzen und der Kommission zu ihrer 3. und der voraussichtlich letzten Sitzung Bericht erstatten. Diese Sitzung soll voraussichtlich im Oktober 2010 stattfinden. Auf Grundlage dieser Berichte wird die Gemeindefinanzkommission Empfehlungen zu den behandelten Themenfeldern geben.

Der Zwischenbericht Standards fasst die Möglichkeiten zusammen, an welchen Ecken und Enden (“durch das Bundesrecht gesetzte Standards”) die Kommunen und der Bund sparen können. Diese Sammlung wurde durch die kommunalen Spitzenverbände, die Länder und das Bundesfinanzministerium zusammen gestellt Nach den Angaben der Kommission fand noch keine Bewertung der Sparmöglichkeiten statt. In einem nächsten Schritt soll auf dieser Grundlage geprüft werden, an welchen Punkten eine finanzielle Entlastung möglich ist. Nach den Aussagen der Kommission sind hierbei

Strukturen, Transparenz und Effizienzgesichtspunkte

relevant.
In der Anlage dieses Dokumentes finden sich drei Tabellen zu den Kategorien Standards ohne Lastenverschiebung, Standards mit Lastenverschiebung und Standards mit laufenden Gesetzgebungsverfahren. Interessant ist die genaue Ansicht der Tabelle Standards ohne Lastenverschiebung, die Text in der gefühlten Schriftgröße 4 enthalten. der Grund hierfür ist, dass hier am meisten aus Sicht der Finanzverwaltungen gespart werden kann. Diese Tabelle enthält 163 Einträge, die sich auf entsprechende Bundesgesetze beziehen zu den folgenden Themen:

  • Allgemein = 0,6% (1 Nennung)
  • Arbeit und Soziales = 47,2% (77 Nennungen)
  • Auswärtiges = 0,6% (1 Nennung)
  • Bau/Stadtentwicklung = 6,7% (11 Nennungen)
  • Bildung und Forschung = 1,2% (2 Nennungen)
  • Familie, Senioren, Frauen und Jugend 8% (13 Nennungen)
  • Gesundheit = 4,9% (8 Nennungen)
  • Inneres = 5,5% (9 Nennungen)
  • Justiz = 5,5% (9 Nennungen)
  • Landwirtschaft und Verbraucherschutz 3,7% (6 Nennungen)
  • Umwelt = 9,8% (16 Nennungen)
  • Verkehr = 3,1% (5 Nennungen)
  • Wirtschaft = 3,1% (5 Nennungen)

Diese einfach Auflistung lädt zu der Interpretation ein, dass der Bereich Arbeit und Soziales ein Feld ist, in dem die Kommunen und der Bund ein großes Sparpotenzial sehen. Auf Seite 7 des Berichtes finden sich die größten Ausgabenblöcke in den Bereichen Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (11,5 Milliarden EUR), Einrichtungen der Jugendhilfe (12,4 Milliarden EUR) und Grundsicherung für Arbeitssuchende (12,2 Milliarden EUR).
In der Tabelle selbst gibt es eine Reihe von Punkten, die den Leser vor dem Hintergrund der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung stutzig machen können:

  • 24 Arbeit/Soziales: Gewährung der Leistung in vollstationären Einrichtungen Änderungsvorschlag: Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechts
  • 67 Gesundheit: Fristenregelung bei der Zuständigkeitsprüfung Änderungsvorschlag: Verlängerung der Fristen Contra: Unter Umständen nachteilig für Leistungsempfänger
  • 97 Arbeit/Soziales: Blindenhilfe Änderungsvorschlag: Wegfall der Blindenhilfe Contra: Massiver Widerstand durch Sozialverbände
  • Diese drei Beispiele illustrieren neben der schon brutalen Klarheit wo überall gespart werden kann auch der nahezu sarkastische Ton, wie Punkt 97 deutlich macht. Nicht, dass als Contra Grund die UN Konvention angegeben wird, sonder der massive Widerstand durch Sozialverbände. Eine große Schwierigkeit beim Lesen dieser Liste ist die Schriftgröße. Auf einem normalen Ausdruck fällt es einem Menschen ohne Beeinträchtigung bereits enorm schwer, sich durch die engen Zeilen zu finden.

    Was lernen wir daraus?

    Es ist positiv zu bewerten, dass diese Liste im Internet frei verfügbar ist. Leider sind diese Informationen nicht einfach zu finden. Auf der Frontseite des Bundesfinanzministeriums findet sich nicht einmal eine kleine Pressemitteilung, die darauf hinweist. Diese Liste zeigt die Gedanken, die im Moment von Relevanz sind: es soll gespart werden und die Selbstbestimmungsrechte wie auch die Teilhabeleistungen für weite Bevölkerungsgruppen sind nicht relevant. In der Presse finden sich Bezüge auf die Inhalte des Papiers, ohne aber die Aspekte der Selbstbestimmung und Menschenwürde zu erwähnen. Auch die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege gehen – nach einer kurzen Durchsicht – mit keinem Wort auf dieses Papier und die möglichen Folgen ein.
    Wie es weiter gehen wird, ist den meisten Menschen wohl klar, auch ohne einen Blick auf diese Liste geworfen zu haben und es ist ja auch nichts Neues in Deutschland. Aber es ist einfach so schmerzhaft offensichtlich, wohin die Bundesregierung und Kommunen steuern, ohne dass es ein großes Interesse gibt.

    So long….


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